Voraussetzungen für die Einstufung in Pflegegrade
Änderungen bei Pflegebedürftigkeit
In den neuen Pflegegraden werden körperliche, kognitive und psychische Einschränkungen gleichermaßen erfasst und in die Einstufung einbezogen. Dadurch erhalten Personen mit kognitiven und psychischen Einschränkungen einen gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung.
Bei der Begutachtung wird der Grad der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten in sechs verschiedenen Lebensbereichen mit unterschiedlicher Gewichtung ermittelt und zu einer Gesamtbewertung zusammengeführt. Daraus ergibt sich die Einstufung in einen Pflegegrad. Dahinter steht ein völlig neues System, um die Pflegebedürftigkeit zu begutachten.
Insbesondere Personen mit Demenz profitieren von dieser neuen Systematik. Die Unterstützung setzt mit dem Pflegegrad I deutlich früher an, als bei den Pflegestufen.
Falls Sie bereits eine Pflegestufe erhalten haben, erfolgte die Überleitung in die neuen Pflegegrade automatisch.
Für neue Anträge gelten die rechts beschriebenen Voraussetzungen für die einzelnen Pflegegrade.
Bestandsschutz
Durch die Anpassung der vor 2017 geltenden Pflegestufen in die neuen Pflegegrade werden teilweise Pflegebedürftige mit den unteren Pflegegraden bei vollstätionärer Betreuung schlechter gestellt. Das liegt in den einrichtungseinheitlichen Eigenanteilen in Pflegeeinrichtungen begründet, die seit Januar 2017 für alle Bewohner unabhängig des jeweiligen Pflegegrades gleich hoch sind. Durch den gleich hohen Anteil werden schwer pflegebedürftige Personen entlastet.
Um diese Schlechterstellung durch die Neueinteilung in Pflegegrade zu verhindern, kommt § 141 Abs. 3 SGB XI ins Spiel. Demnach haben Bewohner einer vollstätionären Einrichtung einen Anspruch auf einen Zuschlag der Differenz auf den Entlastungsbetrag nach § 45b SGB VI, wenn sie zum 31.12.2016 bereits eine Pflegestufe hatten. Dieser Bestandsschutz ist zeitlich unbegrenzt.
Pflegegrade und Pflegegeld
Voraussetzung für den Erhalt von Pflegegeld durch die gesetzliche Pflegeversicherung ist die Einstufung in einen der fünf Pflegegrade.
Pflegedürftige erhalten gemäß § 15 SGB XI aufgrund der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad).
Ob und welcher Pflegegrad des Antragstellers vorliegt, wird durch einen Gutachter des Medizinischen Dienstes (MDK) oder einer anderen Prüforganisation mittels eines Begutachtungsassements, kurz NBA genannt, anhand eines Punktesystems ermittelt. Die Punkte werden dabei für sechs Lebensbereiche bzw. Module vergeben.
- Mobilität
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
- Verhaltensweise und psychische Problemlagen
- Selbstversorgung
- Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen durch den Pflegebedürftigen
- Gestaltung des Alltagslebens und der sozialen Kontakte
Die Haushaltsführung, die bislang bei den Pflegestufen unter der hauswirtschaftlichen Versorgung genannt war, fließt nicht unmittelbar in die Pflegegrade ein. Gleiches gilt für außerhäusliche Aktivitäten.
» 10% Gewichtung für Modul I: Mobilität
» 15% Gewichtung für die Module II + III: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten + Verhaltensweise und psychische Problemlagen
» 40% Gewichtigung für Modul IV: Selbstversorgung
» 20% Gewichtigung für Modul V: Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
» 15% Gewichtung für Modul VI: Gestaltung des Alltagslebens und der sozialen Kontakte
Die durch die Begutachtung erreichte Gesamtpunktzahl bestimmt, in welchen Pflegegrad der Pflegebedürftige eingestuft wird. Eine Einstufung in einen Pflegegrad erfolgt, wenn 12,5 Gesamtpunkte erreicht wurden.
Wann besteht Pflegebedürftigkeit
- Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten
- Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten
- Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten
- Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten
- Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten.
- Pflegegrad 1: 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkte: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten
- Pflegegrad 2: 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkte: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten
- Pflegegrad 3: 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkte: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten
- Pflegegrad 4: 70 bis unter 90 Gesamtpunkte: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten
- Pflegegrad 5: 90 bis 100 Gesamtpunkte: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.
Die Leistungen im Einzelnen
Der unten aufgeführte ambulante Betreuungs- und Entlastungsbetrag ist zweckgebunden und kann für die teilstationäre Tages- oder Nachtpflege, einer vorübergehenden vollstationären Kurzzeitpflege oder für Leistungen ambulanter Pflegedienste (in den Pflegegraden 2-5 jedoch nicht für Leistungen im Bereich Selbstversorgung) verwendet werden. Außerdem kann der Betreuungs- und Entlastungsbetrag für Leistungen bei anerkannten Angeboten zur Unterstützung im Alltag eingesetzt werden. Die zuletzt genannten Leistungen können je nach Bundesland verschieden sein, da sie im Landesrecht geregelt sind. Quelle: Bundesministerium für Gesundheit
Geldleistung ambulant
Pflegegrad 1: 0,- €
Pflegegrad 2: 316,- €
Pflegegrad 3: 545,- €
Pflegegrad 4: 728,- €
Pflegegrad 5: 901,- €
Sachleistung ambulant
Pflegegrad 1: 0,- €
Pflegegrad 2: 689,- €
Pflegegrad 3: 1.298,- €
Pflegegrad 4: 1.612,- €
Pflegegrad 5: 1.995,- €
Entlastungsbetrag
Pflegegrad 1: 125,- €
Pflegegrad 2: 125,- €
Pflegegrad 3: 125,- €
Pflegegrad 4: 125,- €
Pflegegrad 5: 125,- €
Leistungsbetrag stationär
Pflegegrad 1: 125,- €
Pflegegrad 2: 770,- €
Pflegegrad 3: 1.262,- €
Pflegegrad 4: 1.775,- €
Pflegegrad 5: 2.012,- €
Antrag auf Pflegeeinstufung
Die Pflegekasse sendet Ihnen auf Wunsch einen Vordruck zu und unterstützt Sie bei Bedarf beim Ausfüllen. In Bezug auf Leistungen der Pflegeversicherung haben Sie einen gesetztlichen Anspruch auf Beratung. Nach Einreichen des Antrags, der auch von bevollmächtigten Angehörigen oder anderen bevollmächtigten Personen gestellt werden kann, wird vom MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) oder einer anderen Prüforganisation ein Termin zur Erstellung eines Gutachtens vereinbart, um einen Eindruck über die persönliche Pflegesituation zu erhalten.
Der Termin findet bei Ihnen zu Hause statt bzw. in der stationären Einrichtung, falls Sie bereits in einer solchen Einrichtung leben. In der Regel erfolgt die Begutachtung durch eine ausgebildete und erfahrene Pflegefachkraft des MDK bzw. durch einen erfahrenen Arzt. Auf diesen Termin sollten Sie sich gut vorbereiten.
Für das Gutachten werden Informationen zu allen pflegerelevanten Hilfestellungen, Pflegedokumentationen und Arztberichte herangezogen. Welche Dokumente bereit gehalten werden sollen, wird Ihnen im Vorfeld mitgeteilt.
Das Ergebnis der Begutachtung wird durch den MDK an die zuständige Pflegekasse gesendet, wobei Sie auf Wunsch eine Kopie erhalten. Anhand dieser Empfehlung durch den MDK trifft die Pflegekasse ihre Entscheidung. Im Zuge der Begutachtung kann auch unabhängig der Einstufung in einen Pflegegrad eine Rehabilitationsmaßnahme empfohlen werden.
Ausführliche Informationen zum Thema Pflege und Pflegegeld bietet die Broschüre "Praxisseiten Pflege" (Link zum Download). Die Inhalte der Broschüre sind zwar auf die Beschäftigten in der Pflege zugeschnitten, bieten meines Erachtens ebenso eine gute Grundlage, um sich als Pflegebedürftiger oder als Angehöriger von Pflegebedürftigen, umfassend über die verschiedenen Leistungen und Ansprüche bei Pflegebedürftigkeit zu informieren und sich auf den Termin für die Begutachtung vorzubereiten.
Kombination Pflegegeld und Pflegesachleistungen
Wird Pflegegeld bezogen, so ist außerdem zu beachten, dass bei Pflegestufe I und II halbjährlich einmal und bei Pflegestufe III vierteljährlich einmal eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit abzurufen ist.
Die Vergütung für die Beratung ist von der zuständigen Pflegekasse, bei privat Pflegeversicherten von dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen zu tragen, im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von den Beihilfefestsetzungsstellen.
Wird die Beratung nicht abgerufen, so hat die Pflegekasse oder das private Versicherungsunternehmen das Pflegegeld angemessen zu kürzen und im Wiederholungsfall zu entziehen (§ 37 SGB XI).